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  • Writer's pictureSusanne Bruesch

XF3 Adventure E-Bike im 3000 Kilometer Feldtest

Updated: Apr 28, 2021

Als neues Flagschiff hat unser Projektpartner HNF Nicolai im Herbst das vollgefederte XF3 Adventure mit integriertem Doppelakku vorgestellt. Wir durften den „Unimog der E-Bikes“ schon in Vorserie testen. Auf insgesamt rund 3000 Kilometern. Ein Erfahrungsbericht.



Ich war schon immer ein Fan des Unimogs. Im September 2020 hat das geländegängige Expeditionsfahrzeug von Mercedes-Benz endlich Seinesgleichen unter den E-Bikes gefunden – das XF3 Adventure von HNF Nicolai aus Biesenthal bei Berlin. Ein robustes, zeitloses und absolut offroad-taugliches E-Mountainbike das seinem vierrädrigen Vorbild alle Ehre macht. Zugegeben, ein solcher Claim weckte bei uns hohe Erwartungen, als Silvio und ich im November 2019 zwei der ersten Prototypen im Werk von HNF Nicolai in Bitterfeld entgegen nahmen.



Diese beiden 25 km/h schnellen Pedelecs gingen mit uns im Winter 2019/20 auf Testfahrt nach Marokko – unsere Probetour für das aktuelle Projekt E-Traction – The Trip. Hier mussten die Bikes querfeldein, über Stock und Stein ihre Allterrain-Qualitäten unter Beweis stellen. Als Krönung der Testreise sind wir mit dem XF3 sogar durch die Sanddünen von Erg Chebbi „gesurft“!



Unsere Erfahrungen aus Marokko flossen in die letzten Modifikationen des Rahmens ein, der bei Nicolai Bicycles in Deutschland entwickelt und in Handarbeit gefertigt wird. Der finale, nun in Serie gebaute Rahmen trat im September 2020 die nächste Reise mit uns an, diesmal testweise als S-Pedelec aufgebaut.



Neben Silvio und unserem Allrad-Reisemobil „Elefantino“ zeigte sich das XF3 Adventure als treuer Reisegefährte, mit dem ich über 2.525 Kilometer zwischen Paris und Lissabon zurücklegte. Neben mehreren kleineren Gebirgszügen war die Überquerung der Pyrenäen ein Highlight.



Reichlich Reichweite


Für das markante Erscheinungsbild sorgt einerseits die ausgeprägte Mountainbike-Geometrie mit exponierter Stahlfeder ganz nach Art des Hauses Nicolai und andererseits der vollständig in den Rahmen integrierte Doppelakku.



Dieser liefert pro Ladung insgesamt 1125 Watt-Stunden (500 Wh im Oberrohr, 625 Wh im Unterrohr). Genügend Energie, dass ich im höchsten Unterstützungsmodus (Turbo-Modus) durchschnittlich 91 Kilometer zurücklegen konnte. Bei 2.525 Kilometern Gesamtstrecke entspricht das einem Energieverbrauch von 3,22 kWh bzw. 27,75 Akkuladungen oder 12,4 Wh pro Kilometer.



Das Gesamtgewicht betrug in meinem Fall ca. 80 kg (Fahrer + Gepäck) zusätzlich zum vergleichsweise hohen Eigengewicht des Bikes von 33 kg. Auf dem Weg lagen Anstiege von insgesamt 44.524 Höhenmetern. Geschätzte 70% der Strecke fuhr ich auf Asphaltstraßen, ansonsten auf Schotterpisten, Wald- und Feldwegen mit teilweise sandigen Abschnitten.




Einfach Luftlinie fahren


Egal auf welchem Untergrund - das XF3 besticht durch seinen kräftigen Anzug und seine wunderbar gleichmäßige Leichtläufigkeit. “Es lädt dich ein, einfach Luftlinie zu fahren”, wie es YouTuber Alex „Elektrisiert“ Bangula auf den Punkt bringt. Das war auch meine Erfahrung: Selbst in anspruchsvollem Terrain mit Steinen, Wurzeln, Gestrüpp oder Treppen rollt das Bike unbeirrt über alles hinweg.


Das bewährte Trio aus Bosch Antrieb - hier die 4. Generation der Performance CX Line - Gates Carbon Riemenantrieb und elektronischer Rohloff Speedhub E-14 Schaltung sorgt für sehr gut aufeinander abgestimmte Komponenten. Die 14 Gänge der Nabenschaltung decken beim XF3 die Bandbreite von steilen Bergfahrten mit schwierigen Passagen bis zu Geschwindigkeiten von ca. 38 km/h völlig ausreichend ab. Darüber hinaus muss man die eigene Trittfrequenz einen Gang „hinaufschalten“. Dann lässt sich mit der Rohloff-Nabe auch ein S-Pedelec gut bis an seine Unterstützungsgrenze von 45 km/h ausfahren.




Klettermeister


Bergauf klettert das XF3 trotz seines Gewichts mit unglaublicher Leichtigkeit. Ein Drehmoment von 85 Nm verleiht die beflügelnde Kraft. Von der Kettenschaltung kommend, empfand ich die Nabenschaltung am Berg zunächst gewöhnungsbedürftig. Bleibt man am Hang doch einmal hängen, spielt die Nabe einen klaren Vorteil aus: Man kann via eigens von Nicolai konzipiertem Daumenschalter sehr komfortabel im Stand herunterschalten. Während der Fahrt geschieht das Schalten in Sekundenbruchteilen sofern man die Kraft für einen Moment vom Pedal nimmt. Unter Last schalten soll zwar die elektronische Steuerung der E-14 durch softwaregesteuerten Kraftausgleich ermöglichen. Es empfiehlt sich aber, selber auf sachtes Schalten zu achten. Sollte die Rohloff einmal nicht mehr prompt und sauber schalten, lässt sie sich mittels Tastenbefehlen leicht kalibrieren.



Geschmeidig bergab


Downhills im Gelände sind ein Genuss: Mit 160 mm Federweg (Gabel: Rockshox Lyric Select +, Dämpfer: Cane Creek Stahlfeder) schmiegt sich das Bike in die Kurve wie eine Katze und die griffigen Magura MT5 Scheibenbremsen mit Doppelkolben sorgen für haarfein dosiertes Bremsen. Mit serienmäßig verbauter absenkbarer Sattelstütze steht dem ultimativen Flow nichts mehr im Wege.



Perfekten Gripp im Gelände bietet die Continental-Bereifung Der Baron Projekt in der Serienversion. Für mehr Leichtläufigkeit und weniger Vibration auf der Straße haben wir für die Europa Tour den Smart Sam DD von Schwalbe aufgezogen, der auch einen höheren Pannenschutz bietet. Im Sand spielte die breite Bereifung (27,5x2,6’’ Continental Baron) ganz klar ihre Vorteile aus.



Bei Straßenabfahrten liegt das Bike selbst bei über 60 km/h satt auf der Straße und ist durch nichts aus der Laufruhe zu bringen. Mit einer Ausnahme: Last auf dem serienmäßig verbauten Gepäckträger bringt den Hinterbau zum Schwingen. Je schwerer das Gepäck und je unebener der Boden, desto stärker sind die Schwingungen.



Ansonsten wird an der Komfortausstattung nicht gespart. Das Cockpit ist serienmäßig mit dem Bosch Kiox Boarcomputer und wahlweise mit dem Nyon ausgestattet. Auf dem kleinen aber feinen Kiox-Display sind die wichtigen Parameter wie Batteriekapazität (in Prozent), Geschwindigkeit, Unterstützungsmodus, Tageskilometer etc. immer im Blick. Der hohe Kontrast und die Mehrfarbigkeit des Displays sorgen zwar für gute Lesbarkeit, allerdings ist die Schrift sehr klein. Aus diesem Grunde ist Silvio auf den Intuvia Bordcomputer mit einem größeren Display umgestiegen.



Apropos Sichtbarkeit: Mit dem serienmäßig verbauten Supernova M99 Mini Pro Frontscheinwerfer (bei unserem ersten Testmodell war es die größere Supernova M99 Pro wie im Bild) ist auch in der dunkelsten Nacht jeder Waldweg hell beleuchtet. LEDs aus dem Automotive-Bereich leuchten beim zuschaltbaren Fernlicht die Umgebung mit 1150 Lumen enorm aus. Besonders bei kurvigen Trails ist das ein großer Gewinn für die Fahrsicherheit.



Supernova biete ein großes Sortiment an Halterungen für ihre Lampen an. Um die Ortlieb Lenkertasche, die wie ich finde auf Reisen unverzichtbar ist, zu montieren wünschen wir uns eine optionale Positionierung der Frontlampe weiter unten.

Für die Europa-Reise haben wir einen solchen Umbau testweise selbst vorgenommen. Mit dem Go-Pro Adapter von Supernova und einem Standard-GoPro-Fuß war das möglich.




Schmerzfrei im Sattel


Bei dieser delikaten Komponente greift HNF Nicolai auf Ergonomie-Spezialist Ergon zurück. In der Serienversion ist das Modell SMA 30 verbaut, den ich gerne fahre.

Zu Testzwecken habe ich den Ergon SM E-Mountain Sattel montiert (siehe Bild unten), der speziell für E-Mountainbiker entwickelt wurde. Meine anfängliches Skepsis war schnell verflogen, denn statt Quälerei waren die täglichen Stunden im Sattel eher Streicheleinheiten. Mit anderen Worten: Noch nie hat mir auf einer längeren Radreise der Hintern so wenig wehgetan!


Der SM E-Mountain ist für lange Sitz- und steile Bergaufpassagen konzipiert. Die steile Rampe am Heck des Sattels bietet bergauf besonderen Halt. Die Öffnung im Entlastungskanal nimmt im Genitalbereich den Druck. Wind und Regen hält ein geschlossener Sattel allerdings besser ab. Eine wasser- und winddichte Hose ist bei schlechtem Wetter umso wichtiger.



Eben so heikel wie individuell sind auch die Griffe. Wer einschlafende Hände beim Radfahren kennt, weiß wie unangenehm das ist. Seit ich Ergon Griffe fahre (z.B. den superweichen GA3 Mountainbike Griff mit leichtem Flügel, rechtes Bild) passiert mir das nicht mehr. Silvio hat mit dem GP3 mit full-size Flügeln und Hörnchen gute Erfahrungen gemacht.


Fazit: Privileg mit Preisschild


Das XF3 Adventure ist ein Privileg. Auch das Preisschild ist ein klares Statement: 9.995 Euro. Für’s Grobe gemacht, kommt das Utility-Bike für Anspruchsvolle auf jedem Terrain stylish daher. Mit tollen Fahreigenschaften und traumhafter Federung kombiniert das XF3 die Gene eines Vollblut-Mountainbikes mit Komfort-Ausstattung und ist damit ein treuer Begleiter für alle möglichen Abenteuer. In der Natur, mit wenig Gepäck, spielt es seine Talente am besten aus. Ich bin bekennender Fan, wünsche mir aber für lange Reisen mit Vollausstattung einen stabileren Gepäckträger und vor allem: ein S-Pedelec in Serie!




Mehr Infos zum XF3 auf der Website von HNF Nicolai


Anmerkungen:

Neben HNF Nicolai sind Ergon, Supernova, Rohloff und Ortlieb Partner unseres Projekts. Wir haben ihre Produkte aus gutem Grund gewählt!


Ein dem XF3 Adventure sehr ähnliches Modell hat Nicolai Bicycles als S-Pedelec bis 45 km/h im Sortiment. :-)



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