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Writer's pictureSilvio Zuellig

Zwischen Atlantik und dem 43º Breitengrad

Updated: Feb 7, 2021


Das Baskenland - Kantabrien - Asturien - Galicien.

Diese Regionen Nordspaniens haben wir auf dem Weg von den Atlantischen Pyrenäen Richtung Westen durchreist.



Nach der Überquerung der Pyrenäen haben wir Ende September, nordöstlich von Pamplona, einen mehrtätigen Dauerregen ausgestanden. Es war der Schneeregen vor unserem Wohnmobil-Fenster, welcher uns verstehen liess: Wir sind durch die vielen Verzögerungen seit dem Sommer saisonal etwas im Rückstand geraten, und sollten besser aufholen.


Das führte zum Entscheid, die Bikes in unsere Heckgarage zu packen, und mit Elefantino die nächste Etappe auf demselben Breitengrad westlich mit Elefantino zurück zu legen. Das macht uns flexibler, bei Bedarf schneller, und sichert uns damit die Zeitfenster für anstehende Arbeiten.



Das Wetter blieb sehr wechselhaft, von kalt über kühl bis mild, von wolkenverhangen nass bis sonnig, und bestärkte uns in unserem Entscheid. Jedoch blieben wir hartnäckig, diesen Teil Spaniens doch bestmöglich zu entdecken, und nicht einfach direkt nach Portugal abzukürzen. Es hat sich gelohnt.




Baskenland


Gepflegte Anwesen mit schönen Häusern in hübschen Dörfern…, hätten wir in Spanien nicht unbedingt so erwartet. Aber wir sind gar nicht so richtig in Spanien, wie wir deutlich merken, wir sind im Baskenland, in Euskadi. Nur schon die Sprache, Euskara, auch für multilingual affine wie uns völlig unverständlich, ist ja sowas von eigen, isoliert und mit keiner anderen europäischen Sprache verwandt.


Eine uralte, traditionelle Identität und ein trotziger Stolz ist allgegenwärtig. Die Sehnsucht nach Autonomie ist spürbar, sowie auch so etwas wie Frustration, diese Autonomie politisch nicht vollständig erreicht zu haben. Graffiti und Wandmalereien nehmen Bezug darauf, eine vor vielen Fenstern hängende Flagge fällt auf: Der Schriftzug „Euskal preso ETA Iheslariak, Etxera“ fordert die Freilassung politisch Inhaftierter, und wir werden an die Zeitungsberichte aus der Vergangenheit über die terroristischen Aktionen der baskisch-nationalistischen Untergrundorganisation ETA erinnert.



Im Kontrast dazu erleben wir die Basken als überaus zugänglich und freundlich, ja herzlich, und geniessen deren Spezialitäten genauso wie Kultur und Landschaft, und verbringen gerne einige Tage in diesem Gebiet.


Hier kommen wir - zum ersten Mal seit Marokko im Februar - auch mal wieder ans Meer: Zwei Nächte unter Surfern am Strand einer kleinen Stadt, und nochmals zwei an der Küste weiter westlich. Da geniessen wir einen Sonnenuntergang über dem Atlantik, was die Witterung dieser Tage sonst kaum zulässt.



Kantabrien

Erfrischt von der Meeresbriese stechen wir neugierig wieder landeinwärts, und kommen so in die nächste Region: Kantabrien. Die abwechslungsreiche Landschaft überrascht mit eigenartigen Gebirgszügen, erfreut, und verleitet uns zu Abstechern. Wir besichtigen die eine und andere Sehenswürdigkeit, wenn es gerade mal trocken ist.



An der westlichen Grenze von Kantabrien liegt der Nationalpark der Picos de Europa. Die wollen wir sehen, und fahren darauf zu. Wir legen es auch hier darauf an ein Schönwetter-Fenster zu erwischen, was uns auch gelingt: ab und zu dürfen wir bei klarer Sicht zwischen wolkigen Abschnitten einen Fernblick auf die schroffen Gipfel der Picos erhaschen. Wir geben uns zufrieden damit, haben in den letzten Wochen gelernt uns zu bescheiden.


Gegen Ende dieses Tages führt unsere Route zu einem Stausee südlich der Picos, und wir fahren an, eher „auf“, oder sogar „in den See hinein“: Strassen- und Gebäude-Reste, bei Wasser-Hochstand überflutet, sind jetzt knapp erkennbar, trocken gelegt, befahrbar. Hier stehen wir draussen in weiter, sensationeller Umgebung, der GPS-Punkt auf unserer digitalen Landkarte zeigt unseren Standort mitten im Blau des Sees. 4G-Netz erlaubt uns das Arbeiten, wir bleiben auch hier zwei Nächte stehen, und das relativ gute Wetter des Tages dazwischen lässt uns die skurrile Landschaft und die sagenhafte Rundumsicht geniessen.


Wie erwähnt, wir wollen und müssen diverse Arbeiten erledigen, das setzt Stand-Zeit voraus. Unter anderem, damit Du jetzt diese Webseite sehen und die Blogbeiträge lesen kannst. Unsere Frequenz von durchschnittlich einem Stand-Tag pro Reisetag bestimmt unseren Rhythmus und verursacht so etwas wie Entschleunigung, Gemächlichkeit. Des öftern zwei Übernachtungen am selben Standort begünstigen, dass die Umgebung dieser "Aufenthalte" sich einprägt.



Asturien


Nun folgen etwas ausgedehntere Tages-Etappen, weshalb wir Asturien in genau einem Tag durchfahren, und Abends wieder mal am Meer stehen, auf einem „Zipfel“, einer Landzunge mit Leuchtturm, welcher die Grenze zu Galicien markiert. Wir befinden uns erneut an einem dieser schönen Orte, der uns zu zwei Nächten einlädt, bevor wir weiterreisen.



Asturien haben wir als nicht mehr oder weniger ansprechend wie die vorangegangen Regionen wahrgenommen, ohne besondere highlights oder markanter Abwechslung.


Das ganze Gebiet Nordwestspanien ist gebirgig, wild, grün, durch den Atlantik auch rauh im Klima, jedoch mit deutlich anderer Vegetation als im Europa weiter nördlich, sie erinnert teilweise sogar an die Tropen. Öfters sind wir durch ausgedehnte Eukalyptus-Wälder mit charakteristischem Wohlgeruch gefahren.


Auf unserer Strecke begegnet uns immer wieder mal die gleiche Tafel am Strassenrand, mit der charakteristischen stilisierten Jakobsmuschel, und weist uns darauf hin: Hier führt der Jakobsweg vorbei.



Unbeabsichtigt folgen, kreuzen, begleiten wir Abschnitte davon. Treffen dabei auf einzelne, Jahreszeit-bedingt fast schon einsame Wanderer, und erkennen ihn an den Herbergen und Läden der Orte, die wir durchfahren. Sue, die mit dem Rad mehr noch auf der offiziellen Route unterwegs war, kommt noch deutlicher mit diesem berühmten, historischen Pilger-Weg in Berührung.



Galicien


Wir folgen noch einen halben Reisetag der Küste, peilen unser nächste Landzunge an, natürlich wieder mit Leuchtturm, diesmal am „Estaca de Bares“, dem nördlichsten Punkt der Iberischen Halbinsel und somit auch Spaniens!



Das war unser Ziel, seit wir die Pyrenäen vor 12 Tagen Richtung Westen verlassen haben. Hier wollen wir  „links ab biegen“, und ab jetzt weiter Richtung Süden ziehen.

Am nächsten Morgen, rund ein Monat nach unserem Tour-Start in Paris, holen wir das eBike wieder aus der Garage, dann ab diesem Punkt wird wieder geradelt…


Einer Intuition folgend beschliessen wir, Santiago de Compostela im Südwesten zu besuchen. Am übernächsten Abend besichtigen wir die von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannte Altstadt, und sind über erwarten beeindruckt! Viele imposante Gebäude, von alter Geschichte geprägte Gassen, malerische Ecken. Erstaunlich jugendlich-modern und international die Leute, die uns begegnen.



Wir verweilen bei Eindunkeln auf der grossen Plaza vor der berühmten Kathedrale. Junge Leute in schwerem Schuhwerk gruppieren sich, nach Sprachen. Man sieht und merkt ihnen an: sie sind von weit, weit hier her gewandert, wortwörtlich, an diesen Ort, das Ziel des Jakobsweges. Sowas muss ein erhabenes und gleichzeitig demütiges Gefühl verursachen, und Hunderten, Abertausenden vor Ihnen muss es ebenso ergangen sein. Die grossen Pflastersteine zeugen von deren Schritten, es liegt spürbar in der Luft als eine von Ehrfurcht geprägte Stille. 



Einige meditieren, andere sitzen einfach nur da und bestaunen die imposante, schön beleuchtete Fassade der Kathedrale, und die magische, fast schon spirituelle Stimmung des Ortes erfasst auch uns.



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