Lissabon – selbst im Ausnahmezustand eine Reise wert. Oder gerade dann? Nach der Einsamkeit im Norden Portugals sind wir auf der Suche nach etwas Leben und finden eine faszinierend facettenreiche Metropole.
Die Corona-bedingte Abgeschiedenheit und Isolation der letzten Wochen (siehe ‚Reisen in Zeiten von Corona’) hat mit der Lebendigkeit des Kulturstädtchens Evora ein (vorläufiges?) Ende gefunden. Es hat uns in Erinnerung gerufen, dass wir Menschen eigentlich gesellige, soziale Wesen sind. Unter anderem um dieses wiedergewonnene Selbst(wert)gefühl zu festigen fahren wir nach Lissabon, trotz aller Hochrisiko-Hotspot-Bedenken. Auch aus Entdeckungslust an einer Stadt, die wir beide noch nicht kennen.
Elefantino bekommt seinen „Stall“ in Form eines Ausflugs-Parkplatzes auf einem bewaldeten Hügel am westlichen Stadtrand, ruhig und perfekt gelegen. Wir schwärmen noch am selben Abend aus, auf eine erste Erkundungsrunde per E-Bikes. Alleen, Parkanlagen, Boulevards, alles so wie man es vom historischen Zentrum einer solchen Hauptstadt erwarten darf: Grosszügig, prunkvoll, imposant. City by night, per Fahrrad, und zum Abschluss dieses ersten Eindrucks noch ein Dinner in der Taverne, am Tischchen draussen in der Gasse, so mild war’s.
Äusserster Westen
Am nächsten Tag ganz was anderes: eine Radtour in den Westen ans Meer, ans Cabo da Roca: Der Leuchtturm dort markiert den westlichsten Punkt der Iberischen Halbinsel, und von Festland-Europa! Nachdem Sue’s neue Radreise-Etappe am nördlichsten Punkt der Iberischen Halbinsel gestartet hat, mussten wir natürlich dort hin.
Der Wind bläst so stark, dass wir uns fast nicht auf den Beinen halten können. Auf ein Snack im Schutz des Bistros vor Ort lernen wir Manu kennen: Ein stämmiges Erscheinungsbild wie eine Mischung aus Wikinger und Gladiator ist der Fahrradreisende aus dem Baskenland, gleichzeigt von unwiderstehlich herzlicher Fröhlichkeit. Wir radeln auf dem Rückweg ein Stück gemeinsam, bis sich unsere Wege trennen… und in den nächsten paar Monaten immer wieder mal kreuzen! Der Küstenline folgend kommen wir wieder nach Lissabon und spätabends zurück auf unseren Hügel zu Elefantino. Eine schöne, abwechslungsreiche 100km-Tagestour liegt hinter uns.
Klassik und Moderne - Kontraste und Ähnlichkeiten
Darauf folgt ein weiterer Tag Lissabon per Bike: Frühstück in der LX Factory, alternatives Kunst- und Gewerbezentrum, ähnlich der Roten Fabrik in Zürich oder des Katerholzig und der Kulturbrauerei in Berlin. Heute ist der 18. November, für Sue und mich 3-jähriges Jubiläum. Der Szene-Juwelier vor Ort hat genau den richtigen Silberring, perfekt für Sue und diesen romantischen Moment. Feierlich ziehen wir weiter, und sind allgemein überrascht wieviel moderne Kunst und jugendliche Kultur wir in dieser alterwürdigen Stadt antreffen.
Am Nachmittag durchstreifen wir einige weitere Quartiere des historischen Zentrums: Mouraria, Graça, Alfama, Castelo… Lissabon, die Stadt der sieben Hügel: in engen, gepflästerten Gassen geht’s hoch und runter. Hier fahren auch diese alten, klapprigen Strassenbahnen. Die Ähnlichkeiten zu San Francisco sind offentsichtlich, und die Brücke Ponte 25 de Abril kann ohne weiteres mit der Golden Gate Bridge der amerikanischen Stadt verwechselt werden. Kein Wunder, sind beide Bauwerke nach den gleichen Vorlagen von demselben Architekten entworfen worden.
Zum Ende des Tages erklimmen wir einer dieser Stadthügel, finden einen Mini-Pinienpark mit Aussichtspunkt. Allerlei Leute versammeln sich hier zum Sonnenuntergang und den Klängen der Strassenmusikanten. Kein Gedränge, es dürften zu „normalen Zeiten“ deutlich mehr sein. Uns bietet sich von da aus ein phänomenaler Panoramablick, vor uns erstrecken sich die beleuchteten Strassen und Plätze des nächtlichen Lissabon bis gegen den Horizont. Was für ein stimmiger Abschluss unseres Besuches in dieser schönen, sympathischen Stadt.
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